Ist Ihre Marktinfrastruktur bereit für T+1 Settlement?

VonJens Keller,Dr. Michael Laske
Banken, Blogartikel

T+1 Settlement in USA, Indien und China bereits Realität

Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hat alle Marktteilnehmer dazu verpflichtet, ab 28. Mai 2024 die Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts innerhalb eines Tages durchzuführen: die Zeitspanne von Trade (T) bis Abschluss der Transaction (Settlement) darf nicht länger als einen Tag (T+1) betragen. Dies betrifft im Wesentlichen Aktien, Renten und ETFs.

Die Motivation der SEC für die Verkürzung des Zeitraums zwischen Handelsausführung und Handelsabwicklung wird in der Verringerung des Kredit-, Markt- und Op. Risikos gesehen. Einhergehend mit niedrigeren Margin-Anforderungen steige die Liquidität im Markt und Kapital kann effizienter genutzt werden – so die Argumentation der Aufseher.

Hingegen liegt der Marktstandard für die Transaktionsabwicklung in Deutschland und Europa bei T+2 (inkl. OTC Sekundärmarkttransaktionen).

Kommt T+1 in Deutschland und Europa?

Vermutlich ja. Wegen der starken Bedeutung des US Marktes ist eine Harmonisierung zu erwarten. Ein fortschrittlicher europäischer Kapitalmarkt ist auch politisch wünschenswert, würde er doch den Zufluss von Investitionen in die europäische Wirtschaft erleichtern.

Die ESMA untersucht gegenwärtig die Auswirkungen einer solchen Umstellung. Die Umsetzung könnte nach aktueller Einschätzung frühestens im Jahr 2025 erfolgen. – Von diesem Prozess nicht betroffen ist das Vereinigte Königreich; dort ist eine Entscheidung über den Wechsel auf T+1 noch in diesem Jahr zu erwarten.

Settlement im Detail

Was ist zur Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts zu tun?

  • Clearing der Transaktion über Clearinghäuser (central counterparty, CCP)
  • Übertrag der gehandelten Wertpapiere; meistens geschieht dies durch Zentralverwahrer (central securities depository, CSD)
  • Zahlungstransfer im Falle von Cash Settlement, also für die meisten Transaktionen

Das zweitägige Zeitfenster räumt genügend Zeit ein, um ein „True-Up“ für Settlement-Mismatches durchzuführen und so Settlement-Fehler zu verhindern.

Was sind die Herausforderungen von T+1?

  • Speziell durch die Zeitverschiebung zwischen den globalen Handelszentren verkürzt sich der gemeinsame Handelstag auf wenige Stunden. Der Zeitunterschied Frankfurt – New York beträgt 6 Stunden, die Differenz zu Hong Kong genauso viel. Von einem Handelstag bleiben also etwa 2 Stunden Überlappung. Insgesamt verkürzt sich damit das Zeitfenster zum Lösen von Settlement-Fehlern.
  • T+2 ist immer noch Standard auf anderen Märkten, wie dem Devisenmarkt oder bei Corporate Events. Im T+2-Umfeld erfolgt etwa die Auszahlung einer Dividende am Datum T+2. Das Record Date, an dem festgelegt wird, wem eine Dividende zusteht, liegt einen Tag vor der Ausschüttung (also S-1). Für Anspruch auf die Dividende muss im aktuellen Regime die Aktie also mindestens drei Tage vor dem Record Date gekauft werden. Damit fällt das Ex-Date (der erste Tag an welchem die Aktie ohne Rechte auf die aktuelle Dividende gehandelt wird) auf zwei Tage vor Ausschüttung (S-2). Dies verschiebt sich durch Umstellung auf T+1 Settlement.
  • Der Koordinationsaufwand ist im dezentralen europäischen Kapitalmarkt ungleich höher als in den USA. Zur Einordnung: der europäische Kapitalmarkt handelt auf etwa 70 Börsen und Handelsplätzen, es gibt 31 Zentralverwahrer und 18 Clearinghäuser – in den USA (und dem Vereinigten Königreich) sind dies jeweils nur einer.

Wie sollten sich Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen vorbereiten?

T+1 ist bereits teilweise Realität – auch in Europa.  Gemäß BVI sind ungefähr 15% der Wertpapiere deutscher Kapitalverwaltungsgesellschaften im US-Markt notiert, für Aktien beträgt der Anteil der US-amerikanischen Wertpapiere etwa 30%. Um den Herausforderungen des T+1 Settlement im US-Markt zu begegnen und auf die wahrscheinlich kommende Umstellung im Heimatmarkt vorbereitet zu sein, sollten Marktakteure Anpassungsbedarfe prüfen, u.a. in folgenden Bereichen:

  • Settlement-Prozesse optimieren
    Automatisierung der Prüf- und Bestätigungsschritte in der Wertpapiertransaktionsabwicklung führt zu schnellerer Verarbeitung. Perspektivisch könnte darüber hinaus eine Ausdehnung der Handelszeiten eine größere Überlappung zwischen den jeweiligen Zeitzonen der Handelspartner ermöglichen.
  • Outsourcing/Kooperationen prüfen
    Kapazitäten und Personal in auswärtigen Handelszentren wie der US-Ostküste und in Asien ermöglichen die optimierte Nutzung des zur Verfügung stehenden Handelstages. Gerade für größere Marktteilnehmer stellt dies eine Option dar; ein Kooperationsmodell kann auch für kleinere Häuser interessant sein.
  • Short term FX Hedging nutzen
    Der T+2 Mismatch auf dem Devisenmarkt lässt sich durch FX Devisentermingeschäfte mitigieren.
  • „Timing Gap“ managen oder Fonds-Prozesse grundlegend auf T+1 umstellen
    Verbleibt ein Fonds im T+2 Regime, können sich durch T+1 Handel „Cash Breaches“, also Anlagegrenzverletzung durch Überschreiten der Kasse-Positionen bei Wertpapierverkauf, ergeben. Diese Liquidität kann renditebringend zur Overnight Cash-Anlage, zu Leerverkäufen oder zur Repo-Leihe genutzt werden. Als „Funding Gap“ bezeichnet man die Finanzierungslücke bei Wertpapiererwerb durch die KVG zu T+1 bei Cash Inflow durch Verkauf der Fonds-Anteile zu T+2. Zur Überbrückung kann ein Kredit genutzt werden.

    Die Umstellung aller Fonds-Prozesse auf T+1 behebt dieses „Timing Gap“, zieht jedoch eine Überprüfung ergänzender Services, von Zahlungsverkehr, Collateral Management bis hin zu Risikomanagement und Controlling nach sich. Diese sollten entlang der gesamten Prozesskette auf das neue Regime angepasst werden.
  • Nutzung Blockchain-Technologie
    Die Nutzung von Blockchain-Technologie in der Abwicklung könnte perspektivisch eine Echtzeit-Abwicklung und -Verifikation mittels Smart Contracts ermöglichen, ebenso ein dezentrales Clearing. Damit könnte ihr eine transformative Rolle in der Weiterentwicklung der Wertpapierabwicklung zukommen.

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