Neue Bewertungskriterien für nicht-klimabezogene Umweltziele – kurz erklärt
Die EU-Nachhaltigkeitsregulierung hat mit der Veröffentlichung der technischen Bewertungskriterien für die verbleibenden vier Umweltziele am 13.06.2023 einen weiteren bedeutenden Meilenstein erreicht.
Damit hat die Europäische Kommission nun für alle sechs Umweltziele der EU-Taxonomie detaillierte technische Bewertungskriterien definiert, die die Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten bilden. Zusätzlich wurden durch Anpassungen der technischen Bewertungskriterien für die ersten beiden Umweltziele neue Wirtschaftsaktivitäten in die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgenommen.
Diese Entwicklungen haben weitreichende Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungsfindung in der Wirtschaft sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen aller Branchen. Besonders Banken und Sparkassen stehen vor erheblichen Herausforderungen bei der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsregulierung, die kontinuierlich durch Vorschriften der EZB und BaFin weiterentwickelt und verschärft wird.
HINTERGRUND DER EU-Taxonomie
Taxonomie auf der Zeitachse
Die Taxonomieverordnung wurde im Laufe der Jahre durch diverse delegierte Rechtsakte ergänzt und erweitert. Diese werden direkt von der EU-Kommission verabschiedet und treten nach Ablauf einer zweimonatigen Einspruchsfrist von EU-Parlament und EU-Rat in allen EU-Ländern ohne zusätzliche nationale Gesetzgebung in Kraft.
Die Einspruchsfrist für zwei kommende delegierte Rechtsakte ist inzwischen abgelaufen, weswegen mit einer zeitnahen Veröffentlichung gerechnet werden kann. Sobald dies geschehen ist, ist der gesamte Legislativprozess abgeschlossen und die Rechtsakte sind somit unmittelbar in allen EU-Ländern gültig. Damit treten sofort EU-weite Implikationen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein.
Am 13. Juni 2023 hat die die EU-Kommission zwei delegierte Rechtsakte zur EU-Umwelttaxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) veröffentlicht.
Inhaltlich unterteilen sich diese in Anpassungen und Ergänzungen der bereits existierenden technischen Bewertungskriterien für die beiden klimabezogenen Umweltziele. Zudem umfassen sie die Bereitstellung der technischen Bewertungskriterien für die vier nicht-klimabezogenen Umweltziele. Da die Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist, werden diese voraussichtlich zeitnah mit Hilfe des EU-Amtsblatts in die Breite kommuniziert werden.
Anpassungen der klimabezogenen Umweltziele
Ziel der Anpassungen zur delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 der klimabezogenen Umweltziele ist es, durch neue technische Bewertungskriterien die Rahmen der eingeschlossenen Aktivitäten der EU-Taxonomie zu erweitern und kleinere Korrekturen der Bewertungskriterien bereits enthaltener Wirtschaftsaktivitäten vorzunehmen.
Bei der Warenherstellung werden beispielsweise Aktivitäten zur Herstellung von Fahrzeugteilen im Automotive Sektor, sowie Schienen-, Elektro- und Flugzeugteile bezüglich des ersten Umweltziels miteinbezogen.
Weiterhin werden Aktivitäten im Transportsektor für Wasser- und Lufttransport miteingeschlossen, wobei im Bezug auf Wassertransport beispielsweise nach den vorangegangen Konsultationsphase nun noch eine Anpassung vorgenommen wurde, um den unkontrollierten Austritt von Methangasen zu vermeiden. Ebenso fand im Rahmen der Konsultationsphase noch eine Anpassung der DNSH-Kriterien statt, um deren Kohärenz auch rechtsaktübergreifend zu festigen.
Neue technische Bewertungskriterien der vier nicht-klimabezogenen Umweltziele
Die neuen technischen Bewertungskriterien umfassen eine Menge von 35 Wirtschaftsaktivitäten in 8 Wirtschaftsbereichen. Davon entfällt der größte Teil auf Wirtschaftsaktivitäten, die einen substantiellen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten – 21 Aktivitäten aus 5 Sektoren. An dieser Stelle werden beispielsweise für die Verpackungsindustrie, das Baugewerbe und die Abfallwirtschaft genaue Kriterien formuliert, inwiefern diese zum Übergang einer Kreislaufwirtschaft beitragen.
Eine Wirtschaftsaktivität kann Bewertungskriterien zu mehreren Umweltzielen zugeordnet sein. Dies bedeutet, dass beispielsweise für die Abfallwirtschaft Bewertungskriterien bezüglich der nachhaltigen Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, dem Übergang zur Kreislaufwirtschaft sowie der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung zu finden sind. Eine zukünftige Ausweitung der technischen Bewertungskriterien dieser Umweltziele auf weitere Wirtschaftsaktivitäten ist angedacht, allerdings aktuell mit keinem konkreten Datum versehen.
Inhaltlich werden die Vorgaben insgesamt klar ausdifferenziert. So werden beispielsweise durch die reine Einwertung über den Nettozuwachs an Biodiversität, der aus Konservation und Wiederherstellung resultiert, die Kriterien klarifiziert. Dies zeigt, unter welchen Bedingungen eine Wirtschaftsaktivität signifikant zum Umweltziel des Schutzes und der Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen beiträgt, ohne gleichzeitig im Sinne der DNSH-Kriterien der Nachhaltigkeit zu schaden.
Im Speziellen sind davon zum Beispiel das Hotel- und Gastgewerbe sowie der Aufenthalt auf Campingplätzen, in der Natur und fremdem Ökosystemen betroffen.
Zukünftige Berichtsanforderungen
unterscheiden zwischen Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität
Grundsätzlich wird in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zwischen Taxonomiefähigkeit („taxonomy-eligibility“) und der Taxonomiekonformität („taxonomy-alignment“) von Wirtschaftsaktivitäten unterschieden.
Die Taxonomiefähigkeit einer Wirtschaftsaktivität bedeutet lediglich, dass sie signifikant zu einem der sechs Umweltziele beiträgt und anhand der technischen Bewertungskriterien geprüft werden kann. Um als „taxonomiekonform“ zu gelten, müssen die technischen Bewertungskriterien erfüllt werden, die dieser Aktivität gemäß ihrer Taxonomiefähigkeit zugeordnet sind.
Zudem müssen die DNSH-Prinzipien für die anderen Umweltziele erfüllt sein und die sozialen Mindeststandards eingehalten werden. Das Rollout der EU-Taxonomie erfolgt gestaffelt; zunächst für die ersten zwei Umweltziele, anschließend für die vier nicht klimabezogenen Umweltziele.
Der stetige Wandel und die großen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordern ein innovatives Denken, welches regulatorische Notwendigkeit zielgerichtet mit unternehmerischen Chancen verknüpft.
UNSERE EXPERTISE
Horn & Company bietet umfassende Unterstützung für Finanzdienstleister in allen Belangen der Nachhaltigkeit. Dies umfasst die Integration von ESG-Risiken in den Investitionsentscheidungsprozess, die Identifikation unternehmerischer Nachhaltigkeitsauswirkungen und die Erfüllung von Offenlegungspflichten durch Nachhaltigkeitsberichterstattung. Darüber hinaus unterstützen wir bei Umsetzungsprojekten im Rahmen der CSRD.
Zusätzlich begleiten wir unsere Kunden bei der effektiven Realisierung ihrer Nachhaltigkeitsziele, angefangen von der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie bis zur Umsetzung konkreter operativer Maßnahmen für eine nachhaltige Unternehmensführung.
In unserem nächsten Blogartikel werden wir uns mit den Implikationen der neuen Delegiertenverordnungen für den Bankensektor auseinandersetzen. Dabei wird auf aktuell verfügbare Taxonomietools eingegangen. Des Weiteren werden Herausforderungen sowie damit einhergehende Chancen beleuchtet, die sich aus der Regulierung ergeben. Bleiben Sie dran, um zu erfahren wie diese Entwicklungen den Finanzsektor beeinflussen und wie Sie sich sicher für aktuelle und zukünftige Herausforderungen aufstellen können.