Kreislaufwirtschaft – kurz erklärt

VonDr. Dirk D. Müller
Banken, Sustainability & ESG, Blogartikel

Die globale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen steigt kontinuierlich, während verfügbare Ressourcen knapper werden. Gleichzeitig nimmt das weltweite Abfallvolumen zu.

Das traditionelle lineare Wirtschaftsmodell beruht auf dem Konzept von „Extraktion, Produktion und Entsorgung“. Dieses Modell stößt daher an seine Grenzen. Es ist nicht mit einer nachhaltigen Zukunft (nachhaltige Wirtschaft) vereinbar. Als Folge dieser Entwicklungen stehen Unternehmen vor diversen Herausforderungen.

Wirtschaftlich:

  • Klar artikulierte Mitarbeiter-, Kunden- und Stakeholderanforderungen mit Blick auf unternehmerische Nachhaltigkeit (nachhaltiges Unternehmertum).
  • Anfälligere globale Lieferketten (nachhaltige Lieferketten) mit volatilen Rohstoffmärkten.
  • Zunehmender Globalisierungs-, Effizienz- und Wettbewerbsdruck.
  • Komplexer werdende Bedarfe zur Produkt- und Prozessinnovation (nachhaltige Innovationen).

Regulatorisch:

  • Steigende Transparenzanforderungen (Lieferketten, CO2-Ausstoß, Produktlebenszyklus) (Produktlebenszyklus).
  • Zunehmende Komplexität der Nachhaltigkeitsberichterstattung (z.B. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) (Nachhaltigkeitsberichterstattung).
  • Verstärkter Fokus auf Zirkularität (Circular Economy) bei Umwelt- und Abfallvorschriften.
  • Sich verschärfende Sanktionierungen bei Missachtung regulatorischer Anforderungen.

Ökologisch:

  • Notwendigkeit zur Minimierung der individuellen unternehmerischen Umweltauswirkungen (umweltfreundliche Produktion).
  • Steigende Ressourcenbedarfe bei gleichzeitig schwierigerer Ressourcenabsicherung (Rohstoffsicherung).
  • Notwendigkeit, die Herausforderungen des Klimawandels im Einklang mit internationalen Vorgaben zu bewältigen.
  • Anforderungen, Ressourcen möglichst effizient (Ressourcen effiziente Produktion) und langlebig einzusetzen.

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft versucht, diese Herausforderungen zu adressieren und konkrete Antworten zu geben.

DAS PRINZIP KREISLAUFWIRTSCHAFT

In einem Kreislaufwirtschaftssystem wird der Wert von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen so lange wie möglich erhalten. Dadurch werden idealerweise die Umweltauswirkungen der Nutzung verringert. Abfälle und die Freisetzung gefährlicher Stoffe werden in allen Phasen des Lebenszyklus (Produktlebenszyklus) minimiert.

Um den Lebenszyklus von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen zu verlängern, werden verschiedene Ansätze verfolgt. Dazu gehören:

  • die effiziente Nutzung sowie Wiederverwendung,
  • Reduzierung,
  • Reparatur,
  • Aufbereitung,
  • Recycling und
  • Materialrückgewinnung

in Produktions-, Vertriebs- und Nutzungsprozessen. Dadurch kann zusätzliche Wertschöpfung generiert werden.

Abbildung: Schematische Gegenüberstellung der Linearwirtschaft mit der Kreislaufwirtschaft

Die Transformation von einem linearen zu einem zirkulären System erfordert die Entwicklung und Umsetzung neuer Ansätze. Das R-Framework nach Potting et al. (2017) erfasst den Kern der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy). Es bildet die grundlegenden Hebel einer umfassenden, zirkulären Transformation ab.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass in einer Kreislaufwirtschaft nicht nur einzelne R-Strategien umgesetzt werden. Es sollten mehrere dieser Strategien sinnvoll miteinander kombiniert werden.

Abbildung: Strategien des 9R-Frameworks

REGULATION

Kreislaufwirtschaftliche Prinzipien bestimmen auch die umweltschutzbezogene Regulation. Bereits seit dem 1. Juni 2012 ist das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz erfordert jedoch keine allumfassende Verankerung der Kreislaufwirtschaftsthematik (Kreislaufwirtschaft) in Unternehmen. Vielmehr konzentriert es sich auf verstärktes Abfallrecycling durch die Verpflichtung zur Getrenntsammlung.

Die europäische Batterieverordnung von 2023 zielt darauf ab, die Kreislaufwirtschaft verbindlicher zu verankern. Auch die noch nicht verabschiedete europäische Verpackungsverordnung verfolgt dieses Ziel.

Zudem hat die Europäische Kommission eine Verordnung für das Recycling von Fahrzeugen vorgeschlagen. Diese Verordnung zielt ebenfalls darauf ab, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu stärken.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt von Unternehmen, dass sie über ihre wesentlichen ESG-Themen Bericht erstatten (Nachhaltigkeitsberichterstattung). Entsprechend des Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wäre ein solches Thema „Ressourcen und Kreislaufwirtschaft“ (ESRS E5). Eine optimierte, auf Zirkularität ausgerichtete Ressourcennutzung führt zu niedrigeren Energieverbräuchen. Sie erhöht die Energieeffizienz und trägt zur Verminderung von Produktionsabfällen bei.

Insgesamt wird damit der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) zunehmend verpflichtend.

UNTERNEHMERISCHE POTENZIALE

Aus unternehmerischer Perspektive bietet die Implementierung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien viele Chancen und Möglichkeiten (unternehmerische Potenziale).

Eine effektive Umsetzung kreislaufwirtschaftlicher Prinzipien beeinflusst das Klima und reduziert Treibhausgasemissionen (CO2-Reduktion). Sie verringert den Wasser- und Meeresressourcenverbrauch, bekämpft Umweltverschmutzung und trägt zur Erhaltung der Biodiversität bei. Somit können Umweltziele synergetisch erreicht und die Natur regeneriert werden. Zudem fördern kreislaufwirtschaftliche Anforderungen wie Recyclingfähigkeit, Re-manufaktur- und Aufarbeitungsmöglichkeiten, unternehmerische Material-, Produkt- und Prozessinnovationen (nachhaltige Innovationen).

Eine optimierte, auf Zirkularität ausgerichtete Ressourcennutzung führt zu niedrigeren Energieverbräuchen und erhöhter Energieeffizienz. Zudem trägt sie zur Verminderung von Produktionsabfällen bei. Insgesamt führen zirkuläre Geschäftsmodelle (zirkuläre Geschäftsmodelle) üblicherweise zu signifikanten Effizienzgewinnen.

Mit Blick auf unternehmerisches Risikomanagement wirken kreislaufwirtschaftliche Aspekte zweifach. Durch die Verringerung der Abhängigkeit von endlichen Ressourcen können Unternehmen ihre Risiken im Zusammenhang mit Rohstoffknappheit mindern. Zusätzlich können sie so auch Preisschwankungen besser entgegenwirken.

Zusätzlich trägt die Diversifizierung von Lieferketten zur deutlichen Reduzierung von Lieferengpässen bei. Daneben hilft die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftspraktiken dabei, Umweltvorschriften und -gesetze einzuhalten. Dadurch können regulatorische Risiken und Haftungen reduziert werden.

UMSETZUNGSANSATZ & POTENZIALFELDER

Um kreislaufwirtschaftliche Potenziale (unternehmerische Potenziale) zu nutzen, ist die Integration in das Target Operating Model notwendig. Zur bestmöglichen Transformation bis hin zum „Circular Go Live“, bieten sich dazu sechs Potenzialfelder an.

Abbildung: zirkuläre Potenzialfelder

„ZIRKULARISIERUNG“ 
BISHERIGER LINEARER STRATEGIE & AUSRICHTUNG

Unternehmensausrichtung (nachhaltige Unternehmensstrategien) zu verankern. Eine definierte Kreislaufwirtschaftsstrategie hilft bei der Umsetzung und wird bestenfalls durch messbare Zielvorgaben flankiert (Kreislaufwirtschaftsstrategie). Folgende Schlüsselfaktoren sind hierfür wichtig:

  • Analyse des Status Quo und Aufdeckung potenzieller Risiken in der aktuellen (linearen) Unternehmensausrichtung.
  • Identifizierung der größten Potenziale mit positiver ökologischer und ökonomischer Wirkung, um langfristig effektiv zur Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) beizutragen. Daneben Priorisierung von Hebeln, die einen signifikanten Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) und zur Schaffung einer nachhaltigen Zukunft leisten.
  • Ableitung eines zirkulären Narrativs und eines kreislaufwirtschaftsorientierten unternehmerischen „Nordsterns“ mit SMART-en Zielen.

 

ENTWICKLUNG ZIRKULÄRER GESCHÄFTSMODELLE:

Auf Basis einer zirkulären (Grund-)Unternehmensausrichtung sind es angepasste Geschäftsmodelle (nachhaltige Geschäftsmodelle), die Zirkularität wirksam werden lassen. Hierbei sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

  • Grundsätzliche Orientierung am Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C) als Grundlage für Geschäftsmodellinnovationen (zirkuläre Geschäftsmodelle). Materialen und Produkte sollen in biologischen und technischen Kreisläufen geringe Risiken für Menschen und die Umwelt darstellen.
  • Konsistente Neuausrichtung und dynamische, kollaborative Rollenveränderung aller Akteure in vor- und nachgelagerten Wirtschaftsprozessen.

Dies umfasst die Bereiche Entwicklung, Design, Produktion, Ressourcenverwendung, Auslieferung, Rückgabe und Wiederverwendung (Recycling, Ressourcenrückgewinnung).

  • Berücksichtigung von integrierten Produkt-Service-Systemen wie Leasing- oder Sharing-Modellen als neue Wege, um zirkuläre Werte zu schaffen und Erträge zu erwirtschaften.

ERWEITERUNG AUF GANZHEITLICHE WERTSCHÖPFUNGSPERSPEKTIVE:

Zirkuläre Geschäftsmodelle erfordern eine umfassende Berücksichtigung aller Elemente in der Wertschöpfungskette. Demnach diese der isolierten Betrachtung einzelner Wertschöpfungs- oder Nutzungsstufen entgegen. Ein Schlüsselaspekt ist hierbei das übergreifende Life Cycle Assessment, bei dem folgende Punkte berücksichtigt werden sollten:

  • Konsolidierte Betrachtung, enge Vernetzung und gemeinsames Engagement aller Beteiligten – inklusive der Konsumenten – in der unternehmerischen Aktivitätenkette
  • Analyse aller Stoff- und Energieströme des gesamten Produktsystems, aller beteiligten Prozesse entlang des Produktlebensweges, der notwendigen Ressourcenentnahmen und entstehenden Emissionen, zur Ableitung konkreter Umwelteffekte
  • Ermittlung von „Hot-Spots“, die die Nachhaltigkeitswirkung von Produkten einschränken bzw. Risiken bergen und Zirkularität behindern

DESIGN ZIRKULÄRER E2E-PROZESSE

Zirkuläre End-to-End-Prozesse zielen darauf ab, entlang der Geschäfts- und Konsummodelle ressourcenoptimierte Produktlebenszyklen (Produktlebenszyklus) zu ermöglichen. Dafür müssen Prozesse vollständig vernetzt sein und eine nahtlose Durchlässigkeit von Daten und Informationen ermöglichen. Nachfolgend einige wichtige Aspekte:

  • Einführung eines Product Lifecycle Managements (PLM), um Informationsverluste in den Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungsphasen zu vermeiden. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und Stakeholdern verbessert.
  • Entwicklung innovativer Prozesse entlang der gesamten Aktivitätenkette durch die Implementierung von PLM-Systemen. Diese Systeme sichern Ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft und erfüllen gesetzliche Anforderungen (Umweltvorschriften).
  • Förderung von digitaler Vernetzung, um verbindliche Informationen allen Beteiligten zugänglich zu machen. Eine lückenlose Nachverfolgung der Daten vom Produktentstehungsprozess bis zum Rohstoff wird gewährleistet (Digitalisierung in der Kreislaufwirtschaft).

DIGITALISIERUNG ZUR STEIGERUNG DER ZIRKULARITÄT

Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess und der Gestaltung zirkulärer Geschäftsmodelle (zirkuläre Geschäftsmodelle). Sie ermöglicht es, den Übergang zu kreislauforientierten Material-, Komponenten- und Produktflüssen aktiv voranzutreiben. Ein vollständiger Zugriff auf Produktdaten ist unverzichtbar. Folgende Punkte sind dabei elementar:

  • Erarbeitung eins klaren Verständnisses, dass Kreislaufwirtschaft als Datenwirtschaft zu begreifen ist, mit offenen, kollaborativen Datenbeziehungen
  • Konsequente Steigerung des Digitalisierungsgrades entlang der gesamten Wertschöpfungskette unter anderem auch durch Nutzung von Konzepten wie dem digitalen Produktpass, um Datenaustausch und Transparenz, auch kundenseitig, zu fördern
  • Nutzung digitaler Tools zur Optimierung auf allen Produktionsstufen, durch zum Beispiel PLM oder computergestützte Fertigungsverfahren, um Energie- und Ressourceneffizienzpotenziale auszuschöpfen)

WISSENSAUFBAU AUF ALLEN EBENEN DER ORGANISATION:

Der unternehmensweite Wissensaufbau ist eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung zirkularer Prinzipien.  Kreislaufwirtschaft als wichtiges und möglicherweise disruptives Konzept erfordert bei der Wissensvermittlung folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Einbezug des Top Managements in den kreislaufwirtschaftlichen Wissensaufbau und Wissenstransfer.  Dies sollte mit einem überzeugenden, nutzenorientierten Narrativ und klaren Zielen geschehen. Zusätzlich muss ein wirkungsvoller „Value Add“ für die Umwelt und die Konsumenten („Tone from the Top“) geschaffen werden.
  • Weiterbildung der Belegschaft zu sachlichen Grundprinzipien der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), den regulativen Rahmenbedingungen und Anforderungen. Es ist wichtig, die sich daraus ergebenden unternehmensspezifischen, zirkulären Transformationsagenda zu vermitteln (nachhaltige Unternehmensstrategien).
  •  Frühzeitiges Adressieren möglicher Widerstände gegen kreislaufwirtschaftliche Transformationen, insbesondere bei besonders betroffenen Gruppen in z.B. Entwicklung, Fertigung und Vertrieb. Es ist wichtig, neue, anzupassende Rollenprofile zu berücksichtigen (Kreislaufwirtschaftsstrategie).
  • „Zero Waste“, als zentraler, umweltschützender Grundgedanke der Kreislaufwirtschaft (Zero Waste Strategien), ist ein ambitionierter Anspruch. Die vorgenannten Potenzialfelder unterstreichen daneben die Bandbreite der Herausforderungen kreislaufwirtschaftlicher Unternehmenstransformationen (nachhaltige Unternehmensstrategien). 

Auch wenn physikalische Gesetze einer vollumfänglichen Umsetzung zirkulärer Ansätze Grenzen auferlegen, ist die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) für viele Unternehmen ein Leitprinzip. Für nicht wenige Unternehmen ist sie sogar eine überlebenswichtige Anforderung, insbesondere im Hinblick auf Ressourceneffizienz und die sich daraus ergebenden neuen wirtschaftlichen Chancen.

Horn & Company hat umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle und der Umwandlung traditioneller Geschäftsstrategien. Wir helfen Unternehmen, ihre Geschäftspraktiken zirkulär zu gestalten, um ökologische und ökonomische Vorteile zu erzielen.

Unsere Expertise umfasst die Analyse und Neuausrichtung der Wertschöpfungskette sowie die Implementierung zirkulärer Prozesse im gesamten Unternehmen. Kontaktieren Sie uns, um Ihr Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft zu begleiten.

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