Was steht an im ESG Regulatorik Hin-und-Her?
Ein Wegweiser zwischen Abwarten und Alles-angehen
Mit der Verabschiedung einer Reihe von ESG-Regularien, scheint in den Augen vieler nicht nur ein Bürokratie-Monster, sondern auch eine finanzielle Bürde insbesondere für mittelständische Unternehmen geschaffen worden zu sein.
Dazu zählen
- das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG),
- die EU Lieferkettenrichtlinie (CSDDD),
- die EU Entwaldungsverordnung (EUDR),
- das EU CO2-Grenzausgleichsystem (CBAM),
- die EU Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), und
- die EU Delegierte Verordnung zu European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Während einige Unternehmen angesichts drohender Strafen bei Nichteinhaltung mit Implementierungen schon begonnen und nicht unbeachtliche Summen dafür ausgegeben haben, erhalten wir von Seiten der Bundesregierung „neue“ – scheinbar entgegengesetzte – Signale.
Im Sinne des Versprechens der Bundesregierung Bürokratie abzubauen und dabei die Wirtschaft zu entlasten (siehe auch Bürokratieentlastungsgesetz IV), wurde von Bundesministern sowie von Kanzler Scholz angekündigt, dass LkSG auszusetzen oder zumindest aufzuweichen. Des Weiteren hat die Bundesregierung die Verschiebung der EUDR bei der Europäischen Kommission angefragt. Gleichzeitig stieg die Bürokratielast hinsichtlich CBAM ab August 2024. Zudem wurde Deutschland zusammen mit 16 weiteren EU-Mitgliedsstatten von der EU-Kommission verwarnt, dass die CSRD-Vorschriften nicht fristgerecht ins nationale Gesetz umgesetzt worden sind.
Was bedeutet das konkret? Stehen ESG Regularien grundsätzlich im Widerspruch zum versprochenen Bürokratieabbau? Wurden Lieferkettensorgfaltspflichten bisher umsonst umgesetzt? Sollte man nun einfach abwarten, bis die Gesetzgebung sich eingeschwungen hat? Muss man die Fristen nicht so ernst nehmen? Oder sollte man schnellstmöglich alle Regularien umsetzen, um Strafen zu vermeiden?
Wir geben den aktuellen Stand (07.11.24) der Entwicklungen wieder, zeigen konkrete Hinweise auf und schlagen ein priorisiertes und pragmatisches Vorgehen vor.
LkSG und CSDDD
Auch wenn aus Regierungskreisen zu vernehmen ist, das LkSG auszusetzen bzw. abzuschaffen, gibt es noch immer die europäische Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Als europäische Richtlinie ist die CSDDD bis Juli 2026 von der deutschen Bundesregierung in nationales Recht umzusetzen. Damit ist erwartbar, dass das LkSG somit in seiner Grundform durch die Anforderungen der CSDDD angepasst oder ersetzt wird. Bisherige Initiativen, das LkSG in der Zwischenzeit auszusetzen, scheiterten. So stimmte der Bundestag am 17.10.24 gegen das Lieferkettenpflichtenaufhebungsgesetz, eine Initiative der CDU/CSU-Fraktion.
Ob es zu einer Aufweichung des LkSGs durch die CSDDD bzw. es zu einer Minderung der Bürokratielast kommt, ist noch unklar. Es werden zwar weniger Unternehmen von der CSDDD betroffen sein – etwa 1.450 deutsche Unternehmen im Gegensatz zu ca. 4.800 Unternehmen nach LkSG –, aber der Aufwand für die betroffenen Unternehmen wird abhängig sein von der Umsetzung der CSDDD ins deutsche Gesetz und der Konstellation der Lieferketten. Bei der CSDDD liegt der Fokus auf schwerwiegende und selbst verursachte Risiken bei direkten und indirekten Zulieferern. Beim LkSG müssen zunächst nur alle direkten Zulieferer gescreent werden und indirekte Zulieferer u.a. nur bei substantiierter Kenntnis von Risiken. Wenn ein Unternehmen sehr viele unmittelbare Lieferanten und viele schwerwiegende Risiken unter den mittelbaren Lieferanten hat, kann der Aufwand unter dem LkSG ähnlich groß sein wie unter der CSDDD. Bei der CSDDD kommen mehr umweltbezogene und menschenrechtliche Pflichten hinzu, sowie die Anforderung einen Klimaplan zur Minderung des Einflusses auf den Klimawandel, aufzustellen. Es soll die Möglichkeit bestehen, LkSG/CSDDD Berichtspflichten im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts nach CSRD/ESRS (im Lagebericht) umzusetzen. Damit würde dann zumindest der Berichtsaufwand gemindert werden.
Was bisher eindeutig und offiziell kommuniziert wurde: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird das Vorliegen und die Veröffentlichung von LkSG-Berichten erstmalig zum 01.01.2026 nachprüfen. Die Berichtsfrist wurde damit de facto auf den 31.12.25 verschoben. Die Berichtspflicht bzgl. der CSDDD wird nicht vor 2027 eintreffen. Unabhängig von der verschobenen Berichtsfrist versendet das BAFA weiterhin Auskunftsersuchen zur Umsetzung des LkSGs.
EUDR
Die EUDR sollte von Unternehmen bis Ende dieses Jahres umgesetzt werden. Versprochene Umsetzungshilfen der EU wurden jedoch nicht zeitlich vorgelegt. Nachdem die Bundesregierung die EU-Kommission aufgefordert hat, den Anwendungsstart zu verschieben, hat der Europäische Rat eine Verschiebung um 1 Jahr vorgeschlagen. Die EU-Kommission und das EU-Parlament haben dem zugestimmt.
Demnach tritt die EUDR am 30.12.25 für große und mittlere Unternehmen in Kraft und für kleine Unternehmen ab dem 30.06.26.
CBAM
Ab August 2024 müssen Unternehmen tatsächliche CO2-Emissionszahlen zur Verfügung stellen, d.h., dass sie nicht mehr auf Emissions-Standardwerte der EU zurückgreifen können, sondern CO2-Daten von ihren Lieferanten beziehen und dann den gesamten Energieaufwand des eingesetzten Materials berechnen müssen. Bisher zeichnete sich das als eine nicht erfüllbare Anforderung ab, da nur in Einzelfällen ausländischen Lieferanten CO2-Daten liefern. Statt den gesamten CO2-Ausstoß im Sinne des CBAM zu berechnen, werden Ressourcen in die Dokumentation des bisher relativ erfolglosen Lieferanten-Engagements verschwendet. Dennoch ist bisher kein Bürokratieabbau-Signal in Sicht. Demnach muss wie seit dem 01.08.24 weiter vorgegangen werden. Der Nachweis für das Bemühen von Einholen von Emissionswerten inkl. der Schulung von Lieferanten sollte weiterhin sorgfältig dokumentiert werden, solange Zulieferer nicht in der Lage sind, die Daten zu übermitteln. Ab 01.01.2026 beginnt dann die Bepreisungsphase. Nur autorisierte Anmelder dürfen dann CBAM-Ware in die EU importieren und es müssen CBAM-Zertifikate erworben werden.
CSRD und ESRS
Auch wenn ein Entwurf zum CSRD-Umsetzungsgesetz steht, wurde die CSRD in Deutschland noch nicht final umgesetzt. Ob das bis Ende 2024 geschehen wird, ist noch abzuwarten. Für die Unternehmen, die nach der CSRD schon in 2025 über 2024 berichten müssen, bringt die Nichtumsetzung bis Ende 2024 Rechtsunsicherheit mit sich.
Laut aktueller Rechtslage, d.h. auch die nicht fristgerechte Umsetzung der CSRD in Deutschland, bestehen keine zusätzlichen Pflichten für Unternehmen. Unternehmen sind lediglich wie bisher nach HGB (§§ 289b ff., §§ 315 f.) verpflichtet eine nicht-finanzielle Erklärung abzugeben (oder nicht, wenn nicht betroffen).
Da zum einen noch nicht bekannt ist, ob die CSRD noch bis Ende 2024 umgesetzt wird, die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat und eine mögliche Rückwirkung des CSRD-Umsetzungsgesetztes bzgl. des laufenden Geschäftsjahres nicht ausgeschlossen ist, sollten Unternehmen sich weiterhin auf die Berichtspflichten vorbereiten. Sollte das CSRD-Umsetzungsgesetz nicht bis zum 31.12.2024 verabschieden werden, so kann eine Rückwirkung zumindest für das abgeschlossene Geschäftsjahr 2024 ausgeschlossen werden.
Handlungsempfehlungen
Die CSRD umfasst thematisch im Kern alle anderen oben genannten Regularien. Auch wenn es bei der CSRD nicht um Anforderungen der inhaltlichen Umsetzung, sondern um Berichtsanforderungen geht, können die Berichtsanforderungen der CSRD/ESRS als strategische ESG-Ausrichtung und letztendlich als Transformations-Werkzeug genutzt werden. Insofern setzt die CSRD/ESRS Umsetzung den Rahmen, mit dem begonnen werden sollte.
- Beginnen Sie mit den Vorbereitungen zur CSRD-Berichtspflicht
Falls nicht schon geschehen, führen Sie zeitnah eine Wesentlichkeitsanalyse, ein Stakeholdermapping, und eine Gap-Analyse durch um anschließend Handlungsfelder für die Ausarbeitung von Governance, Strategie, Management von Auswirkungen, Risiken und Chancen, Kennzahlen und Zielen abzuleiten. Diese Handlungsfelder werden inhaltlich voraussichtlich, d.h. je nach Ausgang der Wesentlichkeitsanalyse, Themen des LkSG/der CSDDD und der EUDR umfassen. - Implementieren Sie LkSG/CSDDD und EUDR simultan um von Synergien Gebrauch zu machen
Hinsichtlich der verschobenen LkSG Berichtsfrist sowie des verschobenen Anwendungsstarts der EUDR, ist es zeitlich ausreichend bei Betroffenheit in 2025, im Laufe des Jahres 2025 mit einer integrierten LkSG (unter Berücksichtigung von CSDDD Anforderungen, wenn perspektivisch von der CSDDD betroffen) und EUDR Implementierung und Berichterstattung aus der Perspektive der CSRD/ESRS-Anforderungen zu beginnen. - Führen Sie CBAM-Pflichten durch wie seit dem 01.08.2024 gefordert
Da zu CBAM bisher keine politischen Debatten zum Bürokratieabbau stattgefunden haben, sollten Sie hier weitermachen wie bisher: Fordern Sie CO2-Daten von ihren Zulieferern ein, und dokumentieren Sie Ihr Bemühen.